Das Druckluftauto - Fakt oder Fake?

Gestern habe ich mal wieder die meiner Meinung nach einzige ernstzunehmende Wissenschaftssendung im deutschen Fernsehen geschaut:
Nano (jeden Tag auf 3sat um 18.30 Uhr)
Ein Bericht schien mir jedoch besonders interessant bzw. geradezu unglaublich: Ein französischer Erfinder soll ein Auto, welches alleine mit Druckluft fährt fast bis zur Serienreife entwickelt haben (Nano 16.11.2005). Die Eigenschaften des Druckluftmotors scheinen traumhaft:
  • keine Abgase (außer kalter, sogar saubererer Luft als die Umgebungsluft)
  • 200 km Reichweite, wobei eine Tankfüllung mit Druckluft (90 Kubikmeter bei 300 bar) nur 2 € kosten soll
  • äußerst wartungsfrei: nur alle 50000 km ein bisschen Rapsöl zur Schmierung
  • Höchstgeschwindigkeit des Autos: 100 km/h

Als Physiker war ich jedoch skeptisch. Natürlich ist klar, dass in Druckluftflaschen Energie steckt (Hab mal von einem Unfall im Chemieunterricht gehört, bei dem eine Druckluftflasche mit beschädigtem Ventil wie eine Rakete eine Mauer durchbrochen hat), aber genug für 200 km mit einem Auto? Also hab ich ein bisschen im Internet recherchiert und einige Seltsamkeiten zu diesem Thema entdeckt:

  • Es gibt einige Artikel darüber auch aus seriösen Quellen:
    • BBC 2002
    • CNN 2004 (Jedoch haben die Amis anscheinend keine Ahnung über sparsame Autos und zeigen ein Bild des SMART als angebliches Druckluftauto ;-))
    • Linkliste eines Fans zu weiteren Artikeln
  • Über die bevorstehende Serienfertigung des Druckluftautos hat Nano jedoch selbst bereits 2001 berichtet ( Nano 18.10.2001) ! Seltsam, scheint sich ja etwas hinzuziehen mit der Serienfertigung. Außerdem war damals die Reichweite noch mit 300 km angegeben und die Höchstgeschwindigkeit mit 110 km/h.
  • Die AirCar AG, welche das Auto in Deutschland vertreiben wollte, ging 2002 pleite (taz 16.11.2002) und stellte anscheinend Strafanzeige gegen den Hersteller MDI (Chemieonline.de). Allerdings scheinen sie unter http://www.theaircar.ch/ wieder aktiv zu sein. Der Hersteller MDI wird aber mit keinem Wort erwähnt. Vielleicht werden sie jetzt von einem der anderen potenziellen Hersteller, welche in einem Artikel der Zeit genannt werden (Zeit Wissen 05/2005), beliefert.

Liest man die englischen (ziemlich verwirrenden) Webseiten des Herstellers MDI, dann ist dort plötzlich zu lesen, dass nur bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h der Antrieb mit Druckluft erfolgen soll, für höhere Geschwindigkeiten wird ein herkömmlicher Motor (der Benzin, Gas, Alkohol oder so schlucken soll) verwendet. Also doch nix mit null Emissionen. Für sehr niedrige Geschwindigkeiten (beim Einparken) kommt dann zusätzlich auch noch ein Elektromotor zum Einsatz. Der Luftdruckantrieb funktioniert also nur in einem sehr engen Bereich. Zusätzlich soll noch Energie aus dem Bremsvorgang rückgewonnen werden (Schwungrad?). Drei Motoren in einem Auto (+ Schwungrad?), dass ganze soll jedoch immer noch leichter sein als selbst ein herkömmliches Elektroauto. Dies soll durch eine innovative Karosserie aus Fiberglas auf einem Chassis aus Aluminium und weitere Leichtbauideen (z.B. wird die gesamte Elektrik per Funk gesteuert, so dass schwere Kabel entfallen sollen) gewährleistet sein. Alles ganz nett, aber was mich am meisten wundert ist der Aufbau des angeblichen so tollen Druckluftmotors. Mein erster Gedanke daran, wie ich wohl einen Druckluftmotor bauen würde, war eigentlich einfach einen Kompressor rückwärts zu verwenden (Dies funktioniert im Prinzip auch, siehe z.B. den englischen Wikipediaartikel zum Scrollverdichter. bzw. Scrollexpander). Auf jeden Fall sollte die Luftströmung über eine Art Schraube direkt in Antriebsenergie umgewandelt werden. Im von MDI entwickelten Motor treibt die Druckluft jedoch abscheinend Zylinder an, deren Auf- und Abbewegung erst in Drehbewegung umgewandelt werden muß. Nach meinem Wissen ist das Benutzen von Zylindern gegenüber Schrauben/Turbinen immer die ineffektivere Methode um eine Drehbewegung zu erzeugen. Mir scheint der Motor von MDI daher bei weitem nicht so überzeugend, und es ist vielleicht daher kein Wunder, dass der angebliche Start der Serienfertigung seit 2001 immer wieder verschoben wird, wenn er überhaubt jemals stattfinden wird. Wahrscheinlich kommt am Ende ein Hybridauto mit Elektro- und Benzinmotor heraus und der Druckluftmotor wird rückwärts betrieben als Kompressor zum Aufpumpen der Reifen mitgeliefert ;-).

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Egal wie schlecht das erste Druckluftauto ist hautsache es wird ein Anfang gemacht. Die ersten Benzinautos waren auch nicht besser.
www.mpkg-energie-ohne-ende.de

Unknown hat gesagt…

Richtig. Ich kann dem ungenannten Bemerker nur beipflichten: wir leben in aufregend "alten" Tagen. Jeder Tag, den wir mit den "alten" Technologien vergeuden, ist ein verlorener Tag für die Weltrettung!

Anonym hat gesagt…

Jede Technologie fängt einmal klein an. Wird das Produkt gekauft, steht auch wieder Geld für weitere Forschung zur Verfügung.

deepmaier hat gesagt…

Ein diesbezüglich sehr interessanter aktueller Artikel ist

http://www.cnn.com/2008/TECH/08/08/air.car/

Hier werden die technischen Daten dieses Autos noch einmal kritisch beleuchtet.
Vor allem wird beschrieben, dass der reine Druckluftantrieb nicht für
Geschwindigkeiten von mehr als 50 km/h vorgesehen ist, eine Tatsache
die in deutschen Nachrichten oft verschwiegen wird:

http://www.rp-online.de/public/article/auto/verkehr/596477/Dieses-Auto-faehrt-mit-Luft.html

(Hier wird von 110 km/h als Höchstgeschwindigkeit gesprochen ohne zu erwähnen,
dass dies nur zusammen mit einem Benzinmotor zu erreichen ist)

Auch die angegebene Reichweite des Druckluftautos wird im CNN Artikel angezweifelt.
Interessant ist jedoch eine mögliche Zusammenarbeit des Druckluftauto-Herstellers
mit der indischen Automobilfirma Tata. Ob dabei jedoch mehr als heiße Luft dahintersteckt,
kann ich nicht sagen.

P.S.: Mag sein, dass das Druckluftauto funktionieren kann, aber die Herstellung von Druckluft
ist ebenfalls nur mit erheblichem Energieaufwand möglich. Das die Idee daher besonders
umweltfreundlich ist scheint mir daher nicht offensichtlich.

Unknown hat gesagt…

Im prinzip finde ich die idee, mit Druckluft rumzufahren klasse. Und ich denke das Problem liegt eindeutig darin, einen effektiven Motor zu bauen.
In den USA gibt es zur Zeit die Entwicklung, große Windräder, wie sie zum Strom erzeugen genutzt werden, einfach als Kompressoren Tanks mit Luft voll pumpen zu lassen und diese Energie mit den entsprechenden Motoren später auch zu nutzen. Eine 100 Meter hohe Kreiselluftpumpe zu bauen sollte heutzutage nicht unbedingt ein technisches Problem sein. Wenn man natürlich davon ausgeht, dass Druckluft mit einem knatternden 2 Taktkompressor erzeugt wird, kann man nur zu dem Schluss kommen, dass das ganze nicht effektiv ist.
Also bei all diesen heisse Luftgeschichten: Ich möchte mit der miesen Durchführung nicht auch die geniale Idee zerredet wissen. Denn einen kürzeren Energiekreislauf kriegen wir kaum hin...
...und das ist das geniale an der Idee.

Toto hat gesagt…

Eigentlich erstaunt mich, dass wir E Technik v. Tesla favorisieren udn man dazu nich ein großen Erfinder widerwärtig namentlich verbraucht. Der Tesla Konzern hält daszu nicht einmal große Patente! Zumal es technisch anders geht und das Fahrzeug selbst Energie erzeugen kann, da ich hierzu Patente besitze. Selbst etwicklete ich das erste Vakuumschloss für Fahrräder was die Schlossindustrie nicht gern sieht, da es Margen kapuut macht! Das sehe ich aber eher als Ritterschlag! Deutschland ist weiterhin nicht Innovationfreundlich, dass ist das eigentliche Problem! Toller Blog hier!

Mit freundlichen Grüßen

Dr.Roth